Unser Gehirn ist ein Wunder!

Ja, was unser Gehirn, unser Verstand so alles zu leisten in der Lage ist, grenzt manchmal an nichts Geringeres, als ein Wunder.

Wer kennt ihn nicht, den Bekannten (evtl. der höfliche Hausarzt oder der korrekte Herr vom Ordnungsamt), der immer so gefasst und ruhig alles logisch durchdenk und erläutert. Der alles mathematisch, physikalisch oder sonst wie, naturwissenschaftlich erfasst und erklären kann. Niemals wir diese Person laut, gereizt oder nervös. Stets ist er nüchtern höflich! Kein grimmiges Gesicht, aber auch kein lautes Lachen oder hämisches Grinsen. Immer korrekt!

Aber dann! Am Wochenende im Stadion, wenn seine Lieblingsmannschaft spielt. Brüllend werden nach einem „ungerechten“ Elfmeter, der Schiedsrichter und die gegnerische Mannschaft beschimpft. Schimpfworte fliegen und fast hätte er sogar seinen Pappbecher in Richtung Spielfeld geworfen, vor Wut.

Alter, was geht denn mit dem ab? Eine Metamorphose wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde! Fast so, als würdest du deine liebe und nette Teenager-Tochter, die höflich und fleißig ist bitten, für dieses Wochenende auf ihr Smartphone zu verzichten… Dann hast du von Freitag bis Montag, Mr. Hyde im Haus! Oder vielleicht auch dein lieber und hilfsbereiter 12-jähriger Sohn, der vorhin noch lachend und rumalbernd beim Autowaschen geholfen hat… Seine Haut wir grün, die Augen funkeln, die wachsenden Muskeln sprengen seine Kleidung und du hast den leibhaftigen „Hulk“ vor dir stehen. Ach ja, solltet ihr so unvorsichtig sein und dieses Smartphone-Experiment ein Wochenende lang mit euren Kindern ausprobieren, ich übernehme keine Haftung für Personen- und Sachschäden, die durch Mr. oder Miss Hyde und den „Hulk“ entstehen😉.

Aber warum ist das so? Weil unser Gehirn so funktioniert!

Alles was wir bewusst denken, logisch erfassen und perspektivisch planen (also mit der Vernunft), geschieht in der vorderen Hirnrinde, also im präfrontalen Cortex (im bewussten Teil des Verstandes). Der präfrontale Cortex ist mit dem limbischen System, das ist der Ort wo unsere Gefühle angesiedelt sind, in direkter Verbindung. Man behauptete früher, dass Menschen die schnell mal die Beherrschung verlieren, doch endlich vernünftig werden sollten. Das ist leicht gesagt und auch nicht mehr aktueller Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Man kann zwar seine Gefühle und die damit verbundenen Reaktionen durch z.B. die Atmung oder Meditation etwas in den Hintergrund rücken, aber nicht beseitigen. Umgekehrt gilt das gleiche Prinzip. Die Emotionen können unseren logischen, bewussten Verstand in den Hintergrund schieben, und wir reagieren emotional übertrieben oder unangemessen. Man würde überheblich vielleicht sagen, unüberlegt. Man kommt dann an einen Punkt, wo die Gefühle und Emotionen die Kontrolle über Verstand und unser Handeln übernehmen. Wenn wir dann dem Gegenüber in einer frustrierenden Situation „ich kündige“, „ich lass mich scheiden“ entgegenschreien. Hast du das schon erlebt oder selbst gedacht oder gesagt? War dieser „Ausbruch“ überlegt und vorbereitet, in allen Konsequenzen wie Jobsuche, Wohnungssuche usw.?

Unsere Gefühle und Emotionen sind nicht angeboren, sondern werden erlernt. Das kann schon im Mutterbauch anfangen. Vielleicht weil es gegen Ende der Schwangerschaft langsam eng im Bauch wird. Das Baby hat keinen Platz mehr, und weiß aber nicht wie es hier rauskommt. Wie auch? Es spürt das etwas geschehen muss und bekommt vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde Angst. Erst ab diesem Moment, ist das Gefühl Angst im Baby installiert. Dieses Gefühl kann ab diesem Zeitpunkt, in unterschiedlichen Situationen, vom limbischen System, mit den Informationen des präfrontalen Cortex „vermischt“ werden, wenn dort im bewussten logischen Verstand, eben diese Situationen logisch bewertet werden sollen. So können Aufgrund irrationaler situativer Gefühle, unangemessene Reaktionen oder sogar Krankheitsbilder entstehen, für die logisch kein ausreichender oder angemessener Grund vorliegt. Etwa Angststörungen, Phobien, Suchtkrankheiten, Depressionen, Burnout uvm., können im schlimmsten Fall so entstehen. Ja sogar das Überreagieren bei Menschen, die man schätzt und achtet, wegen eigentlich nichts, gehört dazu. Die Emotionen übernehmen das Ruder und die rationale Logik ist im Hintergrund. Der rationale Verstand sucht dann krampfhaft nach Rechtfertigungsgründen für eine unangemessene emotionale Reaktion. Man kommt in Diskussionen vom Hundertstel ins Tausendstel, und ärgert sich selbst über diese Reaktion. Durch die Interaktion des limbischen Systems mit dem präfrontalen Cortex, vermischen sich rationales Denken mit Emotionen permanent. Das formt auch unser Wesen. Eine Person springt mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug, währen eine andere nicht mal auf einen Stuhl steigen kann um eine Glühbirne zu wechseln, weil sie Höhenangst hat.

Interessant ist die Tatsache, dass die Situationen in frühester Kindheit, wo solche „Mikrotaumen“ ein Gefühl in unserem Verstand installieren, häufig nichts mit dem späteren Problem zu tun haben. So kann ein kurzer Moment, wo sich ein Kleinkind allein und hilflos fühlt, weil es z.B. etwas nicht schafft und niemand da ist um zu helfen, dazu führen, dass das Gefühl eines Selbstzweifels entsteht. Das kann Gefühle von Enttäuschung, Angst, Wut, Traurigkeit usw. mit auslösen. Manchmal weinen die Kinder dann. Diese Gefühle werden vom limbischen System ab jetzt zur Verfügung gestellt. Wie ein Schneeballsystem finden sich diese Gefühle in unterschiedlichen künftigen Alltagssituationen wieder. Einzelne dieser Gefühle werden im Laufe der Zeit kraftvoller und beeinträchtigen unsere Lebensfreude. Schon entstehen übertriebene Vorsicht oder sogar Ängste. Es fängt vielleicht in der Schule an, wo wir uns nicht vor an die Tafel trauen, weil wir befürchten die anderen könnten uns auslachen. Und wehe einer lacht, dann bewahrheiten sich die Befürchtungen und werden wieder verstärkt. Vielleicht hat der nur gelacht, weil der Lehrerin gerade ein Komisches Gesicht gezogen hat während sie ihre Brille gerichtet hat.

Ist das limbische System also ein Fluch? Nein gar nicht! Es verwaltet auch positive Gefühle wie Freude, Liebe usw. Negative Gefühle wie Angst sind nicht grundsätzlich schlecht. Sie können uns schließlich vor Bedrohungen für Leben und Gesundheit schützen. Auch leistet der präfrontale Cortex (der bewusste Teil) seinen Beitrag. Wenn wir ein unangenehmes Gefühl empfinden, suchen wir nach rationalen und logischen Erklärungen dafür. Das geschieht im präfrontalen Cortex. Dieser sucht nach rationalen Gründen für das Gefühl, indem er z.B. Informationen, die wir gelernt haben auswertet und durch ein Scannen der Umgebung mit den Sinnesorganen. Dort werden dann Szenarien entwickelt, die das Gefühl erklären. Höhenangst fühle ich, weil, ich könnte ja aus dem Skilift fallen und sterben. Je mehr logische Szenarien entwickelt werden, desto vielfältiger werden ähnliche Situationen, wo das Gefühl Angst, Anwendung findet.

Salopp ausgedrückt, Gefühlschaos macht Kopfkino, und Kopfkino macht Gefühlschaos. Bedauerlicherweise sind einige Menschen mit der Technik so erfolgreich, und bringen es zu Burnout oder Magenproblemen innerhalb kürzester Zeit. Ich meine das nicht zynisch, aber dies können tatsächlich Folgen einer solchen Reaktionskette sein. Und das manchmal nur verursacht, von einem „Mikrotrauma“ aus der frühesten Kindheit, weil z.B. ein Hund neben unserem Kinderwage gebellt hat und wir uns kurz erschrocken haben. Folge könnte sein das Kind weint. Das ist es, was wir von außen wahrnehmen. Was im Verstand des Kindes passieren kann, habe ich auf den Seiten meine Homepage mehrfach beschrieben. Finden wir jedoch in einer Hypnosesitzung dieses auslösende Ereignis (Mikrotrauma), können wir dem inneren kleinen Kind die Situation erklären. Mit dem neuen Wissen, welches es damals noch nicht hatte, wird das Gefühl in dieser speziellen Situation unnötig und neutralisiert. Eine Neubewertung des Ereignisses findet statt. Somit wird das damals unnötige Gefühl, auch in folgenden Situationen nicht mehr aufkommen, wo es unnötig ist. Das Gefühl ist damit nicht ganz verschwunden, sondern die Situationen werden neu bewertet, das Gefühl nicht mehr pauschal hervorgerufen, sondern nur wenn es mit unserem heutigen Wissen erforderlich ist.

Die Lernfähigkeit, also die Neuroplastizität unseres Gehirns, ist nicht weniger, als ein Wunder!